Sommer 2012, Hirschegg – neben vielen menschlichen
Begegnungen und einem anregenden Training gab es auch viel philosophischen
Input, Saatkörner zum Weiterdenken. Inspiriert von der Dokumentation über
Heidegger und das „kreative in die Welt Bringen“ wollte ich mal wieder etwas
mit meinen Händen machen, etwas anderes als eine Computermaus über den
Schreibtisch schieben... und entschied mich für einen Workshop, ein
Damastmesser zu schmieden.
Es ist düster in der Schmiede und heiß. Die gestapelten Stahlplatten liegen im Feuer. Man muss die richtige Temperatur erkennen, die harten und weichen Lagen verschweissen, schmieden. Es ist meditativ – warten, bis der Stahl die richtige Farbe hat, dann schnell und konzentriert an den mechanischen Hämmern schmieden, schweisstreibende körperliche Arbeit trotz Maschine. Präzision ist gefragt, dem Stahl die richtige Form geben, die weichen Lagen nicht verschieben.
zusammen eine neue Qualität bildend. Die Klinge wird hart sein, und gleichzeitig elastisch.Diese Art der Verbindung, individuell UND verbunden, ist essentiell. Wenn man nicht aufmerksam ist, wenn der Stahl zu heiß wird, zu lange im Feuer liegt, schmelzen die Lagen zusammen. Ihre gegensätzlichen Qualitäten gleichen sich aus – ins Mittelmaß. Die Klinge wäre weder richtig hart, noch richtig flexibel, wäre unbrauchbar. Und ich frage mich, wie können wir Menschen unsere individuellen Qualitäten, die doch so unterschiedlich sind, in etwas Gemeinsames geben, ohne diese Individualität aufzugeben und in ein Mittelmaß zu verschmelzen?

Wir lernen neue
Bewegungen, na klar. Aber wird nicht vielmehr viel an alten, unnützen
Bewegungen „abgeschliffen“, Lage für Lage, um eine ursprüngliche Form heraus zu
arbeiten? Wie ist das mit der Entwicklung in unserem Leben? Entwickeln wir
Eigenschaften oder legen wir etwas frei, etwas, das schon immer in uns war,
verborgen unter den Schichten von Erlernten und Erworbenen? Und: wie viel
Messer war denn schon in dem Metallriegel, bevor ich mich entschieden habe,
genau dieses Messer, dieses einzigartige, aus der Form heraus zu holen?
Mittlerweile sitzen wir auf Stühlen im Garten, zwischen
den Bienenstöcken, trinken Kaffee und schleifen die Holzgriffe in Form –
60ziger – 120ziger – 240ziger – 320ziger Körnung. Ich habe ein dunkles, rotes
Holz aus Südamerika gewählt, ein Holz mit wenig Maserung. Der Griff soll
harmonisch zur Klinge passen, das Muster des Damast unterstreichen, ohne selbst
zu dominant zu sein. Nur, wie entscheidet man das, wenn der Damast noch nicht
im Säurebad entwickelt ist?
Es ist ein schöner Platz hier, ein Platz zum Ausstieg.
Jan, der Schmied hatte Bankkaufmann gelernt, ehe er sich entschieden hat,
auszusteigen und ein Handwerk zu lernen. Er lebt fast autonom hier im
Mecklenburgischen, hat Landwirtschaft, eine Kuh, die Bienenstöcke. Und er kann
davon leben, Messer zu schmieden...
Der Griff ist schnell montiert, ein letztes Polieren mit
feinstem Korn – das Schärfen überlasse ich dem Fachmann. Und dann halte ich es
in den Händen, mein Messer. Ich habe mit meinen Händen, meiner Kreativität und
basierend auf jahrhundertealtem Wissen etwas in sich Einzigartiges in die Welt
gebracht – einen nützlichen Gegenstand, der schön ist.
Alexander Madl